»Erzähl' euch wie es ist, wenn du hier in meiner Haut steckst
Wenn du als Alman im Kanak-Viertel aufwächst«
– Cashmo, »Alman«, November 2020
Mit Sicherheit ist der »Brudi« einer der größten Dullis, die diese Szene bereithält. Seit Jahren Deutschrap-B-Ware, hat Cashmo seit dem aufmerksamkeitsökonomischen Hauptgewinn »Alman« über die letzten zwölf Monate stets seine Widerwärtigkeit bewiesen. Kurz nach dem Skandal ein Besuch beim eingefleischten Schwurbel-Antisemiten B-Lash, nach der Entstehung von #DeutschrapMeToo versucht er dann zunächst, auf dem Rücken der Opfer sexualisierter Gewalt seine Followerzahlen in die Höhe zu treiben, um kurz darauf die Aktivistinnen der Bewegung aufs Übelste zu beleidigen und bedrohen. Bushido schlecht, Feminismus schlecht, #MakeDeutschrapGreatAgain. Und wie steht es heute eigentlich um seinen langjährigen Kollabopartner Twin, der bereits 2011 ein Feature für die Nazi-Hools von Kategorie C aufnahm und 2015 ins Fadenkreuz der BILD geriet, nachdem er bei einem Auftritt in Frankfurt ganz ironiefrei den SS-Wahlspruch »Meine Ehre heißt Treue« rappte? Ach ja, am 10. Dezember erschien ein neuer gemeinsamer Song der allerbesten Freunde.
Die Veröffentlichung der Single »Alman« zog einen medialen Wirbelsturm nach sich, zunächst beschwerte sich HipHop.de, Cashmo ziehe »ein Publikum an, das wir im Hiphop nicht haben wollen«, es folgte ein Antwortvideo, dann Kritik seitens Jule Wasabi, ein noch längeres Antwortvideo, viele Interviews, Artikel im Feuilleton, und so fort. Gelungener Promomove. Es ist müßig, die Chronik aufzuarbeiten. Und ebenso müßig, sich an Cashmo als Privatperson festzubeißen. Stets wurde betont, man wolle den Rapper nicht in die rechte Ecke schieben. Im Podcast Resumæ hieß es: »Cashmo ist kein Nazi und Cashmo ist HipHop.« Und jetzt? Wie sich Cashmo privat äußert, welche Ansichten er hegt und pflegt, ob er auch migrantische Freunde hat, die er zum Breakdance-Abend einlädt – es ist mir völlig egal. Beeindruckend wenig wurde inmitten der Schlagzeilen und Reaktionen darüber gesprochen, was mit »Alman« eigentlich inhaltlich passiert.
Noch so ein Satz, den ich nicht mehr hören kann: »Ja, viele verstehen den Song so, wie er gemeint ist.« Nun gut, wie ist er denn gemeint? Wir gehen rein. Noch bevor der Song wirklich beginnt, meint Cashmo, er sei »der Einzige, der darüber redet«. Das stimmt ja schon mal nicht, zeugt aber von einer gefestigten Ignoranz. Natürlich warnen rechte Politiker:innen schon seit Jahren, die Deutschen würden in den Großstädten zur Minderheit, die in Angst und Gefahr leben müsse – gerne auch im Zusammenhang mit dem Verschwörungsmythos vom »Großen Austausch«. Was uns Cashmo aber tatsächlich erzählt, ist seine eigene Geschichte, »wie es ist, wenn du hier in meiner Haut steckst«. Und Geschichten werden erzählt, mit mehr oder weniger Weitsicht, im Falle Cashmo mit der geringsten Weitsicht. Will heißen: Befindlichkeit pur, der Tellerrand ragt himmelhoch über das Blickfeld des Aacheners hinaus.
Nach einigen krokodilstränigen Berichten aus dem Leben des »Alman im Kanak-Viertel« knallt es dann kurz vor der Hook nochmal. Cashmo beschwert sich, man dürfe als Deutscher nicht stolz auf sein Land sein. Wieder Quatsch, sogar Cem Özdemir sagt offen, er sei stolz auf Deutschland. Überall hängen die kleinen schwarz-rot-goldenen Fähnchen, ob WM oder nicht. Und natürlich werden auch Bundestag, Bundesbank und Bundesverfassungsgericht mit ihren Fahnenmästen nicht per se zum Nazi gemacht. Cashmo steht es völlig frei, dort herumzustehen und zu salutieren, wie er möchte. Und dann: »Das Erbe meiner History Blut / Aber Bro, sag mir, was hab' ich mit Hitler zu tun?«. Ziemlich viel, Bro. Diese Zeile ist Schlussstrichmentalität vom Allerfeinsten.
Noch vor der Veröffentlichung des Videos sprach Cashmo in Interviews davon, dass Deutsche »jeden Tag gebrainwashed werden mit irgendwelchen Hitlerdokus«, dass man aufgrund der Vergangenheit ja nichts sagen dürfe. Und diese Position breitet er auch im Refrain aus: »Wie viele meiner Landsleute leben in Gefahr? / Aber wirklich drüber reden, ist was keiner von uns darf«. Trotz des krummen Reims kommt die Botschaft natürlich an: Die Deutschen seien in Gefahr, darüber reden dürfe man nicht, man werde aufgrund der deutschen Vergangenheit mundtot gemacht. Diese Position würden die meisten Rechten in diesem Land wohl unterschreiben. Dann ist mir doch egal, ob der Brudi privat »braun, rechts, Nazi und Rassist« ist oder nicht. Cashmo verbreitet faschistische Ideologie. Die Junge Freiheit, mediales Sprachrohr der deutschen Rechten, jubilierte: »Ein ›Alman‹ dißt (sic!) zurück«.
Auch die Rede vom auferlegten Schweigen ist natürlich Quark: Cashmo darf offensichtlich darüber reden, denn sein Video ist auch ein Jahr später noch online, verstößt also weder gegen geltende Gesetze noch YouTube-Richtlinien. Durch die Veröffentlichung über sein eigenes Label hat er sich auch wirtschaftlich gegenüber Gegenwind abgesichert, seinem Vertrieb iGroove ist wahrscheinlich sowieso alles egal, dort wurde vor einigen Monaten die erste Samra-Single nach den Vergewaltigungsvorwürfen von Nika Irani mit Handkuss in den Katalog aufgenommen. Dass sich HipHop.de erst über die – mit geknebelten weißen Deutschen, Schäferhunden und Zerschlagung der Gedenkkultur doch recht traditionelle – »Bildsprache« des Videos echauffierte, zeigt höchstens, dass beim Songtext zuvor stur weggehört wurde. Und umgekehrt: Die Kritik durch HipHop-Medien ist mit Sicherheit kein Sprachverbot, sondern Kritik. Diese Medien aber dann wochenlang zu bedrohen und die eigene Follower:innenschaft aufzuhetzen, so wird Kritik mundtot gemacht – nicht umgekehrt.
Das ist die eine Seite von »Alman«. Die Andere ist, wie Cashmo es im Backspin-Interview ausspricht: »Am Ende des Tages ist es der Brudi, der eine Geschichte aus der Hood erzählt.« Denn natürlich spricht der Aachener hier neben lauter rechten Dogwhistles von seinen persönlichen Erfahrungen auf der Straße, im Viertel, im Gefängnis. Neben aller berechtigten Kritik am Framing wird es schwierig, ihm diese Erfahrungen abzusprechen. Und das erklärt vielleicht auch die breite Zustimmung anderer Straßenrapper wie Haftbefehl und Azad, denn im Endeffekt ist das Ganze natürlich sehr HipHop. Da kommt ein Typ und erzählt seine individuelle Geschichte, die mit Leid und Wut verbunden ist und das Publikum kann sich im schlechtesten Fall damit identifizieren. Das wiederum sorgt für ein Gefühl von Repräsentation, macht Cashmo zu einem Vorbild und Volksführer: Er hat es als Alman von der Straße von unten nach ganz oben geschafft, sich zur Wehr gesetzt, also kann ich das auch. »Alman« ist Identitätspolitik von Rechts. In dieses Bild passt auch, dass Cashmo gegenüber Jule Wasabi argumentierte, sie könne das als mittelständische Frau gar nicht verstehen. Und am Ende ist das alles natürlich total individualisierte Liberalo-Scheiße, die höchstens in Faschismus umschlagen kann, niemals in Solidarität.
Nicht einmal eine neue Qualität neurechten Raps erreicht Cashmo. 2013 erklärte Liquit Walker, die Deutschen seien auf der Straße in der Opferrolle, der Arme wurde »abgestempelt als Kartoffel«. Pedaz und Blut&Kasse warben im selben Jahr für ein neues deutsches Selbstverständnis: »Ich heiße Christian, du Wichser, und bin stolz auf den Namen« – selbstverständlich mit ähnlicher Schlussstrichmentalität. Und natürlich, Fler, monatlich mit neuen kruden Theorien im Rampenlicht, rief schon 2005 die »Neue Deutsche Welle« aus. Das war wenigstens catchy. Es ist völlig egal, ob Cashmo fest in der HipHop-Kultur verankert ist, wenn die Erzählweisen und Muster dieser Kultur in Deutschland stets so schön offen nach rechtsaußen sind.
Spätestens jetzt sollte man Megaloh verstehen, wenn er davon spricht, dass deutscher Rap nichts mit dem HipHop zu tun habe, der bei HipHop.de so schön als »integrative und per se linke Kultur« beschrieben wird. Denn den individuellen Aufstiegserzählungen fehlt es an Haltung und Weitblick, Deutschrap zeigt sich bei Cashmo von seiner engstrinigsten und sturköpfigsten Seite. In der industrialisierten Rapszene können diese neurechten Erzählungen auf Augenhöhe neben den linksliberalen Major-Signings stehen, Ideologie ist beliebig, solange sie sich verkaufen lässt. Welch wunderschöner Marktplatz der Ideen. So schön HipHop hier.
Jaman, das ist ein wunderbarer Text!